Donnerstag, 31. Juli 2008

Frauke Streubel in der Berliner Morgenpost

In der Welt der grünen Wilden
Rüdiger Nehberg hat es vorgemacht. Einen Supermarkt braucht man eigentlich nicht. Selbstversorger werden auch in der heimischen Natur fündig. Nun mag nicht jeder knusprige Käfer oder proteinhaltige Maden wie der Survival-Guru. Aber rein vegetarisch gesehen, ist man mit Wildkräutern und -pflanzen aus dem Wald, vom Feld oder der Wiese gut bedient.
"Was, das alles kann man essen?" Frauke Ströbel war erstaunt, als eine Brandenburger Kräuterfrau ihr vor Jahren duftende Scharfgarbe, saftigen Portulak, aromatische Taubnessel und anderes Grünzeug anbot. Sie erinnerte sich daran, dass sie schon als Kind gerne den als Kaninchenfutter verschrienen Löwenzahn gepflückt und geknabbert hatte. Bei einem Kreta-Urlaub hat sie dann gelernt, ihn auf griechische Art zuzubereiten. Erst blanchieren, dann mit Olivenöl und Knoblauch kräftig anbraten. Inzwischen gibt es kaum ein Gericht, das Frau Ströbel ihrem Mann ohne wilde Kräuter serviert. "Das beste Gemüse, das es gibt, sind in Öl gebratene Hopfenspitzen", schwärmt die 41-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin, die aus ihrer Liebe zu dem wilden Grün inzwischen ein Geschäft gemacht hat. Sie gründete 2006 die Berliner Landpartie, bietet Kräuterkunde und Kochkurse an.
Brennnessel und Ackerschachtelhalm
Sie ist nicht die Einzige: Ernährungsberaterin Elisabeth Westphal ist bei der Grünen Liga Berlin seit 2001 als Kräuteraktivistin im Einsatz. Schon als Kind in Radebeul hat sie sich auf Wiesen von der Hand in den Mund ernährt. Heute zupft sie bei ihren Kräutertouren, aber auch beim morgendlichen Joggen hier ein bisschen Brennnessel, da ein wenig Ackerschachtelhalm. Auch an Bäumen kommt sie nicht vorbei. Elisabeth Westphal: "Die seitlichen jungen Triebe der Sommerlinde haben einen wunderbaren Geschmack." Im Frühjahr, wenn die Blätter noch zartgrün sind, ist die Buche ein wundervoller Durstlöscher. Und Gingko mit viel Vitamin C kann man die ganze Saison über essen. Neben bekannten Wildkräutern wie Löwenzahn sucht sie auch nach Malve, Frauenmantel, Spitzwegerich, Hirtentäschel, Sauerampfer und Höllenkraut.
Für die vitaminreiche Brennnessel hat sie einen besonderen Tipp: Man muss sie von unten fassen, abbrechen und die Brennhaare von unten nach oben abstreifen. Auch wenn man sie klein hackt, macht sie ihrem Namen keine Ehre. Wie bei Pilzen ist auch bei Wildpflanzen Vorsicht geboten: Manche "Guten" sehen Giftigen zum Verwechseln ähnlich zum Beispiel der harmlose Kälberkopf dem giftigen Schierling oder der milde Kerbel der wilden Möhre. Bärlauchsammler müssen aufpassen, dass sie nicht dazwischen stehende giftige Herbstzeitlose erwischen.
Vielfalt im eigenen Garten
Wer auf Nummer sicher gehen will, sammelt nur auf der eigenen Scholle. Gartenbesitzer können von der samt Stiel, Stängel und Blüte essbaren Kapuzinerkresse auch ihr Unkraut verwerten. Wer bislang über den sich allseits verbreitenden Giersch geschimpft hat, sollte ihn einfach abzupfen und in den Salat schnippeln, wie es Feinschmecker mit dem grünen Kraut tun. Giersch ähnelt Petersilie, ist aber aromatischer. Ganz köstlich schmeckt er zu Tomaten oder in Kartoffelsuppe, weiß Elisabeth Westphal. Vogelmiere schätzt sie wegen des leicht nussartigen Geschmacks, Meerrettichblätter wegen der Schärfe. Das Interesse der Berliner an Wildkräutern wächst derzeit wie Unkraut, hat sie festgestellt. Bärlauch war der Renner der vergangenen Jahre, zurzeit sind Löwenzahn und Giersch die Trendkräuter.
Auch Eleonore Gliewe, eigentlich Finanzökonomin, hat Berufung gegen Beruf gewechselt und bietet nun Kräuterwanderungen und vegetarisches Catering mit Wildkräutern an. Besonders liebt sie die Brennnessel "weil sie so viele Nährstoffe hat und man so viele schöne Sachen daraus machen kann". Brennnesselspinat zum Beispiel mit etwas Olivenöl angebraten. Oder Brennnesselgemüse mit Mozzarella und Pinienkernen. Beinwellblätter taucht sie in Pfannkuchenteig und backt sie in Öl aus. Löwenzahn, der jetzt schon bitter wird, übergießt sie mit heißem Salzwasser, damit er milder wird. "Ich möchte die grünen Wilden nicht mehr missen", sagt die Kräuterfrau aus Wölsickendorf.
Der neue Trend ist eigentlich ein uralter Hut: Wildkräuter waren nur in Vergessenheit geraten, weil man sich mit gezüchteter Petersilie, Schnittlauch, Oregano und anderen Kräutern begnügte.
Verwendung in der Gourmetküche
Selbst Sterneköche haben das vielseitige Wildgemüse schon vor einigen Jahren wiederentdeckt. Kolja Kleeberg vom Restaurant "Vau" am Gendarmenmarkt schwört auf den Wildkräutersalat aus Bronzefenchel, Giersch, Brunnenkresse und Ackersenf. Sein Kollege Dirk Biedermann von der Kochschule "Culiartis" weiß warum: "Weil Wildkräuter intensive und unverfälschte Aromen haben und eben nicht immer verfügbar sind wie das Standardprogramm vom Gemüsehändler." Seit er vor drei Jahren die Kochschule gegründet hat, bietet er Kurse mit Wildkräutern an. "Der absolute Renner", sagt Biedermann. Er benutzt die wilden Kräuter für alles: leckere Suppen, würzige Füllungen und Krusten für Fleisch.
Unterstützt wird die Kräutersehnsucht vom individuellen Erlebnishunger nach kulinarischen Experimenten und vom allgemeinen Trend zu gesunder gemüsebetonter Ernährung. Denn sie schmecken nicht nur, sondern sind auch gesund, weiß Heilpraktikerin Hansi Krause. Seit acht Jahren bietet sie bei der Volkshochschule Treptow-Köpenick Wildkräuterkurse an. "Zunächst waren es ältere Frauen, die wissen wollten, was noch wo wächst. Heute sind es junge Frauen mit Kindern, die ihre Familie gesund ernähren wollen und bei Krankheiten statt Pillen lieber Heilkräuter und -pflanzen verwenden."
Kraut mit heilsamer Wirkung
Die Scharfgarbe etwa schmeckt nicht nur lecker, sie ist auch gut für den Stoffwechsel, für die Gefäße und heilt Wunden. Achill soll im Trojanischen Krieg einen Freund damit verarztet haben, daher trägt das Kraut auch seinen Namen: "Achilles milllefolium".
Scharfgarbe, Höllenkraut und Gänseblümchen kann man sogar in der kalten Jahreszeit ernten, doch die meisten anderen Kräuter gibt es nur von März bis September. Bärlauch sogar nur bis zur Blüte im April. "Die Kraft der Kräuter sollte man zu jeder Zeit nutzen", findet Kräuter-Lehrmeisterin Hansi Krause. In ihren Kursen zeigt sie daher auch, wie man Kräuter, Blüten und Früchte trocknet und zu Salben und Tinkturen verarbeitet.

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Liebe Kräuterlinge,
ich hoffe, ihr seid alle wohlbehalten nach Hause gekommen mit einem geschärften Blick für die Schätze der Natur und Freude über einen sonnigen Tag im Kreise "Gleichgesinnter" Mitmenschen. Ich danke euch für euren Einsatz und die innere Freude, die ich dabei beobachten durfte!
Im Namen aller Kräuterlinge nochmals herzlichen Dank an Sie, liebe Frau Witt und an Herrn Witke für Ihre wunderbare Gastfreundschaft in Ihrem "Garten Eden" , verbunden mit einem ganz herzlichen Gruß an Frau Hirt.! Ich glaube, wir haben bei und mit Ihnen Stunden verbracht, die über den Tag hinaus - und dies nicht nur energetisch gesehen - Wärme geben. Eure / Ihre Gabriele Thöne.